Verfasser: Herr Tschik
Ich weiss nicht, ob andere auch so blöd sind wie ich und zehn, zwanzig, oder dreißig Jahre alte Autozeitschriften kauft, und diese so begeistert blättert und liest, als ob diese die aktuell ersehnten Modelle vorstellen und testen würden, oder auch die aktuellen und spannenden Themen als erstes Druckmedium behandeln würde, die die öffentliche Meinung der heutigen Autofahrer prägen.
Das tun sie nicht. Diese Zeitschriften behandeln 20-30 Jahre alte Autos und Themen. Was dann trotzdem so spannend ist?
Im Gegensatz zu den heute trendigen Youngtimer und Oldtimer Zeitschriften, die diese Autos in moderner Umgebung, nach moderner Wertschätzung, mit heutiger Markt- und Publikumswertung vorstellen, präsentieren die Zeitschriften die heutigen Youngtimer als Alltagsautos, samt zeitgenössischer Umgebung.
Wofür soll das gut sein? Da es sich nicht nur um Tests handelt, sonder auch Themen wie Zubehör, Dienstleistungen, Verkehr, Reise, Sport, etc., diskutiert wird, widerspiegeln sie das gewisse YOUNGTIMERGEFÜHL perfekt.
Ich will den Autos keine lebendige Eigenschaften geben (sicher doch), aber mir fiel jetzt ein Vergleich ein: die heutigen Zeitschriften zeigen die Autos unter tierparkähnlichen Bedingungen und die zeitgenössischen Magazine tun das mit unseren geliebten Autos in der freien Natur.
Es ist einfach ein großartiges Nostalgiegefühl in solchen alten Zeitungen zu blättern!
Neben diversen Testberichten lernen wir zum Beispiel:
- was bei einzelnen Kategorien zur Grund- und Mehrausttatung gehörte, z.B. 1988;
- was war die Überdrüber-HiFi-Anlage oder Tuningrichtung der damaligen Zeit;
- wie 1992 die Autohersteller zum Thema Umweltschutz umgingen;
- was 1990 ein Mobiltelefon kostete;
- was die damaligen Konsumidioten aßen, tranken und anzogen;
- welche Gerüchte es 1989 in der Formel 1 gab;
- welche Panoramastraße man 1991 bei einer Süditalien-Reise wählen und was man unbedingt anschauen soll;
- ob 1987 die Geschwindigkeitsbegrenzung auf deutschen Autobahnen eingeführt wird (nein, und Gott sei Dank, später auch nicht) ;
- und so weiter, und so fort...
Und, bewegt sich schon etwas? Ist das Interesse geweckt? Wann kommen die Fotos?
Bitteschön. (Vergrößern: Rechtsklick/Bild anzeigen!)
Eine meiner Lieblingszeitschriften ist die auto motor und sport (kurz AMS), hier haben wir die Titelseite einer 88-er Ausgabe:
Eine marktführende Zeitschrift, damals wie heute, mit Tests, Vorstellungen, Werksinfos aus erster Hand, interessanten Artikeln und Anzeigen. Der respektable Umfang mit über 200 Seiten (Zweiwochenzeitschrift) lässt abwechslungsreiche, detaillierte Artikel ahnen. So kommt es auch. Schauen wir uns einige tpyische Themen an!
Vorstellungen, Nachrichten:
Typischerweise kommen hier Infos aus erster Hand über diverse Hersteller: kommende Modelle, Motoren, Karosserievarianten. Für einen Youngtimerfan ist so ein Artikel eine Zeitreise und gleichzeitig eine unschätzbare historische Informationsquelle: wurde das Auto wirklich so produziert wie damals angedeutet und avisiert? Gab es nicht realisierte Pläne? Welche zeitgenössische Ereignisse beeinflussten den Lebenszyklus eines Modells? Viele spannende Fragen und die Antwort darauf wird nur in den alten Zeitschriften gegeben.
Weiter unten ist ein Artikel aus 1990 über die neuen Mercedes-Modelle: Deutschlands schnellste Serienlimousine kommt, der 500E mit V8-Motor, sowie das seit 20 Jahren erwartete 4-Sitzer Cabrio, das 300 CE Cabriolet. Der Artikel enthält auch einige nie verwirklichte Pläne: es entstand kein 500CE, also V8 im 124-er Coupé und es gab auch kein Vierzylinder-Cabrio als 230 CE.
Mercedes-Benz 500E Testwagen (AMS 1990/3)
Mercedes-Benz 300CE Cabriolet Grafik. (AMS 1990/3)
Typisches "Erwischt-Foto": Ein 500E Testwagen am Tor der Porschewerke (AMS 1990/3)
Tests:
Das Können eines Klassikers vergleicht man nicht mit dem eines heutigen Autos, es wäre ja nicht fair (in vielen Fällen den heutigen Autos gegenüber, haha), wir prüfen das technische Niveau der damaligen Zeit. Es eignet sich nichts besser dazu, als ein ausführlicher AMS-Test.
Wir können mehr erfahren, als aus den Werksprospekten! Neben den üblichen Daten wie Abmessungen, Fahrleistung, Verbrauch, usw. gibt es interessante technische Daten, wie Schaltdiagramm mit Schaltpunkten, Tachoabweichung, Pedal- und Lenkkräfte, Querschnittzeichnungen, etc.!!!
Noch dazu müssen wir nicht unsere eigenen Autos treten, das taten schon die Tester mit den Testautos.
Einige Beispiele ohne Anspruch auf Vollständigkeit:
Mercedes Benz 300CE Test - Ausschnitt (AMS 1987/13)
Mercedes Benz 230CE Test - Ausschnitt (AMS 1988/03)
Mercedes Benz 300CE 3.2 AMG Test - Ausschnitt (AMS 1988/5)
Mercedes Benz 300CE-24 Vergleich Automatik/Schaltgetriebe - Ausschnitt (AMS 1990/17)
Mercedes-Benz 300SL und 300CE-24 Cabriolet Vergleichstest - Ausschnitt (AMS 1992/24)
Anzeigen:
Ich ordne die Anzeigen in zwei Gruppen:
a, Kleinanzeigen
Diese geben ein typisches Abbild vom Gebrauchtwagenmarkt der Zeit und von den Tuningrichtungen. Es ist interessant zu sehen, dass die heutigen Weltfirmen (Brabus, Lorinser) am Anfang noch mit schwarzweissen Kleinanzeigen warben ... für heute unbezahlbare Schätze!!!
b, Werbeanzeigen. Ganzseitige, farbige, teure Anzeigen. Das sind meine persönlichen Lieblinge. Mit großem Genuss schaue ich mir an, was der typische Verbraucher vor zwanzig Jahren liebte und was die Trends waren. Diese teilweise Hightech-Sachen besitzen heute Kultstatus, einige davon, eine Kamera oder eine HiFi-Anlage mutierten zu gesuchten Raritäten, andere sind Objekte der Lächerlichkeit, wie einige Boss-Anzüge oder Pullover à la Dieter Bohlen.
Schau mal, bei einigen Anziegen gibt es Coupons, die man ausfüllen und zurückschicken konnte um Produktkataloge zu bekommen (wo war noch damals das Internet!). Ich schwöre, ich werde eines aus Spaß ausfüllen und zurückschicken! :)
Auf andere Teile, wie Reisen, Ereignisse der Öffentlichkeit, Sport, werde ich nicht näher eingehen. Glaubt es mir, das Bild dieser Themen ist genauso detailliert!
Ich kann es nur empfehlen in ähnlichen Zeitungen zu blättern und lesen; es ist ein interessanter Lesestoff und ein bleibendes Erlebnis! Eine Ära kann man nur auf Grund ihrer Autos nicht verstehen, wenn man jedoch die Ära versteht, versteht man die Autos noch besser!
Auslöser des Beitrags war ein Internetkauf: 14 Exemplare um 1 EUR/Stk, ca. 20 Jahre alt, hier.
Ich warte nun ungeduldig: wann kommt endlich meine Zeitung?
PS.
Da das ein Mercedes-Youngtimers Blog ist, und ich bekanntermaßen ein Mercedes-Fan, noch dazu ein W124-Fan bin, sieht man hier hauptsächlich 124-er Artikel. Das Geschriebene gilt allerdings für jede beliebige klassische Marke!!